Reise ins Coronaland/2
Und nun zum
Tagebuch
Tag 2. Sonntag, den 15.3.
Gut zwei
Wochen ist es erst her, dass wir in der Schweiz den ersten bestätigten Fall
hatten. Die Entwicklung ist atemberaubend.
Am
Morgentisch schaue ich hinaus in die Landschaft und frage mich, ob ich da noch
das gleiche Land vor mir habe, wie vor 14 Tagen. Es sieht alles gleich aus, und
doch ist alles nicht mehr gleich, anders. Die Sonne scheint, aber irgendwie
liegt ein tiefer Schatten über dem Land. Wie wird uns das verändern, wenn es
lange dauert? Können wir das für Juni geplante Köhlerfest auf der Hochwacht
durchführen oder das Jahrestreffen der Berner 68er in Lausanne im Septembe oder die
Turnerunterhaltung im November, wo ich die Wirtschaft führe für die
Männerriege?
Wird sich
unser Land verändern? Wird sich unser Dorf in den nächsten Wochen und Monaten
verändern? Welche Beizen wird es noch geben, welche Läden? Was werden wir
verlieren, was gewinnen? Unser Metzger Karl Koller meinte am Freitag, wenn die
Leute etwas weniger in die Beiz gingen, verkaufe er etwas mehr. Auch ein
Standpunkt.
Froschperspektive
auch hier, klar, aber daraus setzt sich die grosse Perspektive irgendwie
zusammen.
Wir beide haben
diskutiert, wie wir es mit den sozialen Kontakten halten wollen. Ganz wollen
wir sie nicht aufgeben, also mit den Schwestern, Lattmanns und Ulla soll es
weitergehen. Die Einladung der Lattmanns zum Mittagessen am Mittwoch haben wir
angenommen.
Mit den
Schwestern wollen wir etwas mehr telefonieren. Gret erzählt, dass sie private
Bridgetourniere macht, Ruth geht laufen. Ruth hat Thomas, Anna und Joana
getroffen, sie umarmt und mit ihnen einen Apéro genommen. Von Derendingen und
damit den Enkelinnen ist sie etwas abgeschnitten. Zu ihrem Schutz wohl, aber
ich frage mich, ob sie so geschützt werden will. Wir haben beide eingeladen, am
4.4. auf jeden Fall zu uns zu kommen, auch wenn Ruedi seinen 80. am 5. April allenfalls nicht
feiern kann.
Ich habe den
Gemeindeammann („Gemeindepräsident“ heisst es jetzt, aber daran gewöhne ich
mich wohl nie) darauf aufmerksam gemacht, dass in der Verordnung des Bundes vom
Freitag die Sporttrainings vom Bann ausgenommen sind, und gefragt, ob er nicht
die Vereine mit Jugendlichen zur Weiterführung der Jugendtrainings anhalten
will, als Beitrag zur Unterstützung der Eltern in der schullosen Zeit. Er
antwortet mir, mit der Schulschliessung würden, so habe der lokale Coronastab
eben beschlossen (wohl nach der Sitzung des heutigen Wahlbüros[1]),
die Sportanlagen und das Schwimmbad zu schliessen. Der Kanton verlangt das
nicht.
[1]
Die Grünen und die Grünliberalen haben im Grossen Rat massiv zugelegt, aber auch
die SVP und leider ist der SVP Kandidat Martin als Nachfolger von Jakob Stark
gewählt worden. Er ist nicht nur SVP, sondern auch noch ein sehr schlimmer
Finger. Der Grünliberale, der mit absolutem Mehr als Überzähliger ausgeschieden
ist, ist aber selbst schuld, denn er kam – nach ursprünglicher Absage – erst
ins Rennen, als die Grünen ihre Frau schon aufgestellt hatten. So nahmen sie
sich die Stimmen weg. Bei einer solchen Figur hält sich der Schaden wohl in
Grenzen.
Der Fluglärm
hat deutlich abgenommen, aber es fahren mehr Autos, wohl um den ÖV zu
vermeiden. So konterkariert eine Folge die andere.
In den
Nachrichten klingt es weiterhin wild.
In
Österreich markiert der Kanzler-Bub den starken Mann mit täglichen Auftritten.
Er lässt das Land abschotten (Flüge&Züge, Grenzen), verordnet ein
Versammlungsverbot von über 5 Personen, lässt am Dienstag alle Beizen und Läden
schliessen, ausser für Lebensmittel, Apotheken etc., ebenso schliesst er Parks und
Sportanlagen. Die Leute sollen möglichst in den vier Wänden bleiben. Baselland beschliesst
ähnliche Massnahmen: Der Kanton ruft heute den Notstand aus und schliesst „alle
Verkaufsstätten, die nicht der Grundversorgung dienen, sowie alle
Gastrobetriebe“. Ist das unsere Zukunft?
In Zürich
reden sie darüber, ob die schullose Zeit vielleicht bis zu den Sommerferien
geht.
In Italien
sind über 21‘000 Menschen als positiv angesteckt identifiziert, 1400 sind
gestorben. Spanien und die Niederlande sind ebenfalls stark betroffen.
Ausserhalb Europas ist es der Iran mit der Pilgerstätte Qum. Und in anderen
Ländern sind wohl das Testen und die Statistik noch nicht ganz so weit.
In den
Abendnachrichten kommt die Meldung, dass die Frühjahrssession der
Eidgenössischen Räte abgebrochen wird. Damit erhält der unsägliche SVP-Aeschi
mit seinem voreiligen Antrag dazu nachträglich noch Recht. Wir haben heute 2200
Fälle bestätigt, 14 Tote. Solothurn schliesst Kitas und Krippen, Jura die Läden
(ohne Lebensmittel, Tierfutter, Tankstellen, Apotheken). Deutschland wird wohl
morgen die Grenzen schliessen, ausser für Grenzgänger etc. Auf beide Seiten.
Spaziergang: Kirche – der Bahn entlang bis
zur Mühle – Büfelden – Murg – der Bahn entlang bis zum Durchlass der alten
Ziegelei Eschlikon – Rossmetzg – Büfelden – Murg – Öli-Weiher – durchs Dorf zurück.
5/4 Stunden. Sonne, etwas kalter Wind.
Tag 3. Montag, den 16.3.
Es ist das
Gefühl, das Betroffene am Strand bei einem Tsunami haben müssen. Wie aus dem
Nichts türmt sich eine Riesenwelle vor dir auf, die dich dann voll überflutet.
Was wird sie mitreissen, wenn sie wieder zurückflutet? Was für Tage haben wir
hinter uns. Was für Tage vor uns?
Wenn ich
Zeitungen lese oder Radio höre, weiss ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht.
Auch hier das Tsunamigefühl. Die Informationen sind zurzeit nicht zu ordnen,
kaum zu verarbeiten. Gestern hatten wir 800 neue Infektionsfeststellungen. Die
Zahl der Toten steigt moderater. Das Virus beflügelt die Mietwagenfirmen und den
Veloverkauf, aber auch die Nachfrage nach Sextoys so das Tagblatt.
Ein Kanton
nach dem anderen macht den Laden, die Läden, buchstäblich dicht. Graubünden
schliesst die Beizen. Neuenburg zieht nach mit Massnahmen. Weitere werden
folgen. Der Thurgau reagiert besonnener. Kann er das durchhalten? Der Bundesrat
tage, es seien weitere Massnahmen zu erwarten, heisst es am Morgen.
Es soll mehr
getestet werden, mit schnelleren Tests. Freund Florian erzählte mir am vorigenMittwoch,
er sei mit einem Kollegen daran, Schnelltests zu importieren aus Deutschland,
wenn diese vom BAG zugelassen würden. Heute Montag soll in Deutschland
herauskommen, ob sie wirksam seien und sich eine Zulassung in der Schweiz lohne.
Die Testzeit wäre nicht wie beim Schnelltest von Roche 3,5 h sondern 20‘. Mal
sehen.
Was Kitas
und Krippen betrifft, handeln die Kantone uneinheitlich. Nicht alle schliessen
bedingungslos. Die Kantonsärztin St.Gallen geht aufs Ganze; sie verlangt in der
Zeitung, dass wir Alten zuhause bleiben und auch nicht einkaufen gehen. (Das werden
wir vorerst nicht befolgen.)
Das FED und
die Notenbanken fluten die Märkte mit massiv mehr Geld. Nicht nur wird der
Leitzins um nicht weniger als 1% gesenkt auf fast null. Auch werden für 500
Mia£ Staatsanleihen gekauft und für 200 Mia$ Hypothekarpapiere. Einladung zum
Schuldenmachen zum Nulltarif. Wer wird das zahlen? Und ob das hilft? Die
Negativzinsen, die kein normal gebautes Hirn verstehen kann, werden wir so
nicht los.
Ich war eben
beim Arzt, eines Hautfleckens wegen, der aber harmlos ist. Lohrke meinte, der Höhepunkt
sei Ende April, dann ebbe es ab, dann könnten die Massnahmen wieder
zurückgefahren werden. Wie schnell?
Leid tun mir
die Kleinkunstschaffenden und –veranstaltenden. Sie gehen wohl sehr schnell auf
dem Zahnfleisch. Die Kultur ist insgesamt gelähmt. Die Folgen noch nicht
absehbar.
Unseren
Freund Chnopf/Barnabas, der schwer Krebs hat und in einem Heim lebt, können wir
nicht besuchen. Wir wollten wieder mit ihm Mittagessen gehen in Winterthur.
Öffentliche
Beerdigungen werden abgesagt oder untersagt. Das Geleit auf dem letzten Gang
(richtiger wohl: auf der letzten Fahrt, sei es zur Hölle oder in den Himmel)
wird unmöglich. Eben haben wir noch Paul Schoch unter den Boden gebracht, die
Kirche und dann die Beiz waren pumpenvoll. Finito für einige Zeit, nicht nur
für die Leiche, auch für uns.
Gret hat
auch festgestellt, dass im Himmel mehr Ruhe herrscht: viel weniger Flüge.
Unsere
Hausmittel gegen Covid19 sind Wein, Schnaps und Chnobli. Ob’s hilft, sei
dahingestellt, gut ist es auf jeden Fall!
Eben ist
auch die Seniorenwandergruppe vorerst bis Mai abgesagt. Noch ein freier
Nachmittag. Ich kann gut ohne Kalender in der Tasche rumlaufen, ich weiss ja
genau, dass ich keine Termine habe. Ende April will ich mit Peti Wagner, drei Tage in den Bregenzerwald. Das wird dann wohl auch gestrichen.
Auf dem
ausführlichen Spaziergang bei schönstem Wetter sehen wir Eltern auf der
Terrasse mit der Tochter Mittag essen, Väter an der Murg mit Kindern spielen
usw. An einem Wochentag ungewohnt.
Am
Nachmittag schlägt der Bund nun zu. Er geht auf die höchste Stufe der
ausserordentlichen Lage und schliesst ab Mitternacht alle Geschäfte ausser
Lebensmittelläden, Apotheken, Tankstellen. Die Schweiz liegt ab morgen lahm. Bis
nach Ostern. 5 Wochen. Mindestens. Das sei nötig, da die Bevölkerung von sich
aus zu wenig diszipliniert sei. Auch einzelne Verwaltungen schliessen den Schalter.
Was Sirnach macht, weiss ich – noch – nicht.
Im Regionaljournal
Ostschweiz und Graubünden von Radio DRS plötzlich eine bekannte Stimme. Neffe
Thomas, der die Schule des Münstertals an der Grenze zu Südtirol leitet,
berichtet, wie sich die Schulen mit EDV auf die neuen Formen des Unterrichts
einstellen.
In den
Nachrichten und am TV nur Corona. Es wird etwas viel. Was darf ich, was nicht,
was soll ich, was nicht? Werden wir am Mittwoch zu Lattmanns zum Mittagessen
gehen?
Morgen werde
ich meine Telefontätigkeit hochfahren: Chnopf, Peti, Marianne, Maomi,
Ruth&Gret...
Ärgern tun
mich die besserwisserischen Fragen der Journalisten nach hätten und sollten:
Schon früher so stark einfahren, mehr Testen (sie wissen ja nicht, wieviel
getestet wir, die Labors kommen nicht nach). Und die vielen Einwürfe der – sich
oft widersprechenden! – Experten. Der Präsident der Zürcher Ärzte war da souverän.
Recht unverblümt hat der dem Fragenden erklärt, dass wir hinterher immer
schlauer sind, und dass wir über die Wirksamkeit der Massnahmen dann in einem
halben Jahr gescheit debattieren können.
Hätten sich
Herr und Frau Schweizer (darf ich das in Zeiten penetranter Gendergerechtigkeit
noch so sagen, oder müsste es heissen Herr und Frau SchweizerIn, Herr und Frau
Schweizer*in, Herr und Frau Schweizer und Schweizerin oder gar Frau und Herr
Schweizerin und Schweizer? sei‘ drum:) Hätten sich Herr und Frau Schweizer an
die Empfehlungen des Bundes vom 13. gehalten und wären sie nicht wie gewohnt
auf Schihütten zusammengesessen, hätten sie nicht auf dem Markt eingekauft, wie
wenn nichts gewesen wäre, wären uns die Beschlüsse vom 16. vielleicht erspart
geblieben.
Spaziergang: Gässli - Bachtöbeli – Strasse
nach Wiezikon – Rooset-Waldrand – Steinbruch - Luttenberg – Gupfen – Murg –
Öli-Weiher – durchs Dorf. 1,5h. Schön und warm. Jacke um den Bauch.
Werden diese
Wochen in Zukunft aus der Rückschau eine Art Zeitgrenze bilden und die Epoche
in eine Vor- und eine Nach-Covid19-Periode scheiden? Oder werden wir in einigen
Jahren diese Phase als kleine Welle im Zeitenmeer wahrnehmen, nach dem Motto
Aufregung auf Vorrat, Viel Lärm um Nichts oder um Weniges? Qui vivera
(buchstäblich!) verra.
Tag 4. Dienstag, den 17.3.
Jetzt ist
also die Schweiz im Ruhemodus. Beizen und Läden zu, es sei denn Lebensmittel,
Take away, Apotheken, Tankstellen, Velowerkstätten, Banken, Post... Was halt so
wichtig ist im Land. 8000 Soldaten werden aufgeboten, so viel, wie nie mehr
seit dem Zeiten Weltkrieg. Ein Ausgehverbot wie in Nachbarländern gibt es nicht. Noch
nicht? Da sind wir froh, dass wir ein Haus mit Raum um uns herum haben.
Um 9h am
Radio: „Keine Behinderungen auf Schweizer Strassen“. Das gab es um diese Zeit
seit Jahren nicht mehr. (Es war 2013 ein eindrückliches Erlebnis, den
Verkehrsfunk an einem gewöhnlichen Werktag so zu erleben, wie zwei Jahre davor
jeweils nur am Gründonnerstag oder Pfingstfreitag.)
Die Bahn
wird die Züge auf die Hälfte runterfahren. Alle internationalen Zugsverbindungen
sind schon gekappt. Ab Donnerstag wird der Verkehr ausgedünnt: Umstellung
national vom Halb- auf den Stundentakt, regional vom Viertelstunden- auf den
Halbstundentakt. Bahn und Bus. Der ÖV ist bereits jetzt um 50% zurückgegangen.
Das mit den
Schulen scheint zu funktionieren. Die Kanti Frauenfeld macht mündliche
Aufnahmeprüfungen, nicht mehr als 3 Leute auf einmal im Raum. (Bei mir war das
1961, vor bald 60 Jahren also – der Esel wird langsam alt.)
Europa sucht
nach einheitlichem Vorgehen. Das ist nicht einfach, ist doch den Staaten das
Hemd näher als der Rock. Wie bei uns ja auch, wenn wir an die Alleingänge der
Kantone denken. Und die Zentrale in Brüssel dieser „Moloch“, als der er sonst
betitelt wird, erhält nun dafür Schimpfe, dass sie keine
Durchgriffsmöglichkeiten auf die Staaten hat. Auch Deutschland zeigt sich als
viel föderativer, als wir gemeinhin annehmen: Die Bundesregierung kann den
Ländern viel weniger vorschreiben, als der Bundesrat den Kantonen. Sie haben
kein so gutes Seuchengesetz wie wir.
In
Deutschland sind die Beizen nicht voll geschlossen, erst ab 18h.
Die
Zeitungen sind weiterhin voll von Covid19 und so. Die NZZ hat heute total
umgestellt: die ersten drei Bünde heissen „Coronavirus“, „Meinungen und
Debatte“ bleiben im ersten Bund (alles zu CV), dann CV international, irgendwo
eine Sportseite (was gibt es da noch viel zu berichten?), dann CV Wirtschaft,
das Feuilleton im letzten Bund, aber dort ganz hinten dann zwei Seiten
„International“ mit allgemeinen Meldungen (z.B. Biden und Sanders im Wahlkampf).
Wir haben
die Einladung bei Lattmanns zum morgigen Mittagstisch abgesagt. Zu eindringlich
sind die Appelle des überzeugenden Bundesrates an unsere Disziplin: Unnötige
Kontakte meiden! Wir stellen aber den Cousinen unsere Bibliothek zur Verfügung.
Via Milchkasten.
Jetzt sind
wir also für 5 Wochen auf uns zwei angewiesen, abgesehen vom Telefon. Das war
ja auf unseren Reisen immer so, aber es ist schon speziell, wenn das in den
eigenen vier Wänden ist. Die gewohnten Kontakte fehlen. Schon jetzt.
So jetzt
gehen wir einkaufen. Mal sehen, ob die Regale auch bei uns leer sind.
Also: Fast
alles war da. Nicht bekommen haben wir
- WC-Papier: „kommt am Nachmittag“ (Was die Leute
wohl damit alles machen?) War auch im Denner weg, wo wir schauten, als wir das
Postfach leerten.
- Bananen: Durchfallprävention? Im Denner den
zweitletzten Bund ergattert.
- Chnobli. (Viel Chnobli erschreckt das Virus?).
Haben wir dann bei Didi, dem ehemaligen Dorftschugger gekauft, der in seiner
Garage einen guten Gemüse- und Obsthandel betreibt.
- Orangenmarmelade, warum auch immer. Jetzt ist
Quitte angesagt neben dem Honig und Erdbeer/Rhabarber.
In der
Migros sehe ich Frau Giezendanner, meine Dentalreinigerin. Ich erzähle
ihr, mein Zahn, den sie als behandlungswürdig taxiert hat, zerbrösle so langsam
im Maul, aber ich habe ja einen Termin beim Chef am 7.4. Sie meint, sie hätten
gleich ein Sitzung und würden dann nur noch Notfälle behandeln. Zerbröseln sei
wohl einer. Sie will für den Erhalt des Termins schauen.
Cousine Ulla
hat eine verschleppte Bronchitis. Sie muss aufpassen. Einkaufen müssen wir
nicht für sie, das machen Leute aus Eschlikon. Cousin Ruedis 80.er am 5.4.
fällt natürlich flach. Schade.
Freundin
Marianne, die alleine zuhause sitzt, erzählt am Telefon, dass ihr Enkel in der
RS die Unterkunft in der Kaserne Frauenfeld räumen musste und in einen
Zivilschutzbunker umziehen. Die Kaserne werde als Reservespital gebraucht.
Das Radio
sagt, „...die Schweiz steht weiterhin still...“. Ich glaubte, das habe eben
begonnen. Der Hausarrest im umliegenden Ausland klingt bedrohlich. Hoffentlich
bleibt er uns erspart. Es würde ja auch nichts bringen, wenn wir hier auf dem
Land nicht mehr Spazieren gehen dürften.
Der Druck
aufs Zahlen mit Karte steigt. Im Denner haben die Frauen an der Kasse
Handschuhe an, sie nehmen aber mein 10er-Nötli an und geben Münz raus. Am
Eingang die Desinfektionslösung, die benutzen wir beim Rein- und Rausgehen.
Elo schmückt
seit einigen Tagen das Haus österlich. Wir schneiden an der Murg und am Weiher
Zweige ab, Haselnuss und Weiden und so. Dann noch Grün aus dem Garten (u.a.
Kirschlorbeer, die Neophyte) und das in Bodenvasen vor der Haustür, im
Wohnzimmer und oben. Daran kommen dann noch Ostereier und was die Dame so an Osterschmuck
hat. Sieht gut aus. Dazu dann noch einige Teller mit Primeli und Grün, fein
abgestimmt auf die Farben die Primeln und die Übertöpfe. (Elo hat ein Auge für
die Farbabstimmung, das mir fehlt. Immer wieder erschauert sie, wenn sie sieht,
was ich aus dem Kleiderschrank rausnehme und an mir kombiniere. Aber dafür habe
ich ja dann sie...)
Ich lasse
die Voranmeldung für das 68er-Treffen von Lausanne im September raus. Die
Arbeiten sind gemacht. Absagen können wir immer noch.
Spaziergang: Hofen (Velo Peter hat die
Werkstatt offen, den Landen zu) – Freudenberg – über und entlang Autobahn (es
scheint etwas weniger PW zu haben[2])
– quer durch Oberhofen (in Jean-Jacques‘ Haus wird gebaut, anscheinend
verkauft) – Badi – Murg (der Bauplatz an der Umfahrung Hofen („Spange Hofen“)
ist ganz neu eingezäunt und wird mit Bagger eingerichtet; anscheinend kommt
jetzt der Fachmarkt, über den wir schon vor 15 Jahren im Gemeinderat diskutiert
haben; nötig wäre er nicht) – via Lohrke (für Elos Medi) durchs Dorf (auf dem
Schulparkplatz fehlen die Autos der Leher und der Mamis für Taxi Mamma). 5/4 h.
Sonne und Wolken, recht warm.
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[2] Es
ist wohl so: Am Abend auch erstmals keine Staumeldung im Grossraum Zürich; nur
an den Grenzübergängen nach Deutschland stockt es.
Tag 5. Mittwoch, den 18.3.
Am Abend
erfahren wir noch das Neueste im TV: Die EU hat die Grenzen dicht gemacht, wie
angekündigt. Deutschland fliegt gegen 100‘000 Touristen aus der ganzen Welt
zurück. Die WHO spricht von „Infodemie“, die Überflutung mit Meldungen vorab
auch in den elektronischen Medien. Das lasse für falsche Neuigkeiten Tür und
Tor offen.
Es ist
schwierig, zu erkennen, was wahr und was nicht wahr ist. Im Zeit im Bild des
ORF2 sehen wir die bisher beste Informationssendung. Unaufgeregt und
informativ. Vor allem ein Medienprofessor aus Tübingenist sehr gut. Er
warnt vor dem Trend, allen Blödsinn als gleichwertig gegen das zu stellen, was
in hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist. Es findet sich für jede Sache ein
„Experte“, der die abstrusesten Dinge als real erklärt. Die Journalisten haben
die Pflicht, abzuschätzen, was eher richtig ist, und das auch zu benennen.
Sonst ist den Verschwörungsfritzen die Tür weit offen. Gleichzeitig müssen sie
aber auch immer kritisch und allenfalls unangenehm nachfragen.
In diesem
Zusammenhang bemerke ich an mir einen eher ungewohnten Reflex für einen alten
68er. Ich finde, der Bund macht es gut zurzeit. Er gibt Ruhe, geht stufenweise
an die Sache dran. Das gibt – auch mir – Sicherheit. Und da stören mich als
braven Bürger dann die kritischen Fragen (s.o., 16.3.), das Bohren nach
genügend Tests etc. Und ich drücke weg, dass da vielleicht auch in einem
Bereich vielleicht nicht alles so gut gelaufen ist. Ich will mich an der Nase
nehmen.
Der Boris in
England (wenn der Kerl mit seinem Namen wenigstens Russe wäre, da könnten wir
ihn viel leichter in die entsprechenden Vorurteilsschubladen versorgen) der
Boris also will auch hier einen eigenen Weg gehen: Alles laufen lassen. Wenn
sich dann alle mal angesteckt haben, ist das Virus kein Problem mehr. Die
schönen Pferderennen finden statt, wie immer usw. Auch für diese Haltung findet
er Experten, wie schon angetönt. Aber ganz kommt er mit seinem Feldversuch
nicht durch. Es gibt zu viel Protest. Er rudert – etwas – zurück. Er schliesst
zwar weder Schulen noch Kneipen, aber fordert die Bürger auf, letztere etwas
weniger zu besuchen.
In den
Frühnachrichten das erste Mal wieder Nachrichten auch ausserhalb der CV-Welt.
In der
Zeitung lesen wir, dass Spazieren gehen ausdrücklich erlaubt ist. Das freut
uns!
Im Gegensatz
zu Österreich sind bei uns die Kinderspielplätze nicht geschlossen. Kinder
stecken sich weniger an. Wichtig sei, die Generationen zu trennen. Das trifft
die Alten mehr als die Jungen. Im Kanton Zürich sind Ansammlungen von mehr als
15 Personen verboten und werden nötigenfalls aufgelöst. Im Jura und in der Waadt
sind es maximal 5 Personen. An den Bezirksgerichten des Kantons Thurgau werden
nur noch wichtige Fälle behandelt. (Die Schlaumeier von der Fifa haben wohl
Glück: Dank des CV ist der Prozess ausgesetzt, so wird die Sache bis Ende April
dann wohl verjähren. Die Bundesanwaltschaft hat da wirklich eine schlechte
Falle gemacht.)
Bis 30.
September müssen die ärztlichen Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit Alter nicht
mehr durchgeführt werden.
Erlaubt
wären auch private Fondueabende, sagt jemand in Bern. Das allerdings scheint
uns abenteuerlich: Gabeln von einem Meter Länge (Distanz halten), entsprechende
Tischtuchstreifen zu jedem (Sauberkeit), Gabel immer vor den Eintauchen in den
Käsetopf desinfizieren. Wenn die Botschaft aber ist, dass kleine gemeinsame
Essen i.O. sind, hätten wir den heutigen Mittagstisch bei Ruedi und Vreni nicht
absagen müssen. Aber wir sind ja brav und folgsam. Wir brauchen die dringlichen
und oft wiederholten Aufrufe des Bundes zur Einhaltung der Massnahmen nicht.
Diskutiert
werden zurzeit vor allem die wirtschaftlichen Probleme vor allem der
Kleinfirmen, aber auch Kulturschaffenden.Die trifft es brutal.
Und dann die
Frage, ob genug getestet wird, ob genug Material und Maschinen da sind, für die
Zeit, wenn der Höhepunkt der Ansteckungen kommt. Wir können durch unser
Verhalten wohl viel dazu beitragen, dass er verlangsamt verteilt kommt, nicht
mit einer starken Spitze wie in Italien, das es schwer getroffen hat. Zurzeit
haben wir schweizweit gegen 3000 Fälle[3],
im Thurgau 32. Gestern waren es 400 neue Fälle; weniger als am Sonntag.
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[3]
BAG 15h: Anzahl Erkrankungsfälle: Positiv getestet: 3028 Personen, davon
bestätigt: 2772 Personen; verstorben: 21 Personen oder 0,75% der Bestätigten.
Ich werde mich auf die bestätigten Fälle konzentrieren, die gemeldeten liegen
einige Hundert höher. In Italien gibt es mehr als 31 500 bestätigte Fälle,
davon sind 2503 Menschen verstorben oder 7,9%. Die Sterberate ist also 10mal
höher.
Lumka,
unsere Haushilfe, erzählt, wie für ihre Tochter in der Oberstufe der Unterricht
organisiert ist. Am Montag war frei, da mussten sich wohl die Lehrer
organisieren. Schon am Nachmittag fragte Elvira: „Mami, was machen wir jetzt?“
Am Dienstag mussten die Schülerinnen ihre Sachen holen. Sie wurden im
Viertelstundentakt aufgeboten, jeder für sich allein. Seit heute läuft der
Unterricht zu hause. Täglich ohne Mittwochnachmittag von 9 bis 11 und von 2 bis
4. Es herrscht Präsenzpflicht, die Lehrerinnen können das per Telefon kontrollieren.
Die Schülerinnen erhalten Aufträge, die Arbeitsblätter werden jeweils per
Tablet oder Telefon zurückübermittelt. Das gibt Struktur, hilft den Eltern.
Heute ist es
so schön, dass wir das Velo hervornehmen.
Mottos zum
Thema CV: TV France 2 heute früh: „Pour s’en sortir il faut s’enfermer.“ (von
Schwester Gret). Zeit im Bild ORF2 gestern Abend: Plakat von Pflegerin und
Pfleger im Spital: „Bleiben Sie für uns zuhause. Wir bleiben für sie hier.“
Wir werden
aus Australien angerufen, von den Mercers mit ihren 5 Kindern. Sie sind
CV-mässig noch nicht so weit, und wir konnten ihnen erzählen, was auf sie
zukommen könnte.
Der Bund
ruft die Schweizer im Ausland zur Rückkehr auf, solange das noch möglich sei. Tourismus+.
Wirtschaftswissenschafter fordern Hilfsfonds des Bundes von 100 Mia; das
könnten wir sicher gut stemmen, der Bund hat so viel vor gemacht in den letzten
Jahren. Und die Nationalbank schwimmt im Geld.
In Wuhan nur
noch eine Infektion pro Tag.
Was mir in
diesen Tagen auch so auf den Sack geht,
sind die anbiedernden Anglizismen. Modern will mann/frau sein. Ruth hat mich
auf einen Leserbrief in der Solothurner Zeitung (oder wie sie jetzt heisst,
Überblick verloren) eines ihrer Bekannten aufmerksam gemacht, der das Thema gut
behandeln soll. U.a. mit dem Hinweis darauf, dass das wichtige Zielpublikum
wichtiger Verlautbarungen und Velautbarer ja die Alten sind. Die werden wohl
alle gut Englisch können.[4]
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[4]
Sonst muss halt auch hier die Pro Senectute einspringen. Wie beim Problem, dass
Billete bald nur noch per Computer erhältlich sind. Da hat die Chefin der PTT,
darauf angesprochen, dass die ihre Schalter schliesst, wo es auch noch Billete
gab und die Alten bei den Rechnern nicht drauskommen würden, da gebe es doch
Kurse bei der Pro Senectute. Ich hätte die Dame an die Wand nageln können.
Daraufhin habe ich während des Tagesgesprächs von DRS1
um 13 Uhr einmal darauf geachtet. Vorab: Das Gespräch mit dem Eschliker
Schulleiter Thomas Minder, Präsident alle Schweizer Schulleiter war sehr gut,
informativ, unaufgerget, klar. Minder machte einen guten Eindruck. Aber
folgende Anglizismen kamen vom Interviewer und von ihm vor. „Grounding“: der
Schule, womit sie wohl auf das Niveau der Swissair gesenkt oder gehoben ist;
Schliessung hätte gereicht, ohne die wohl intendierte Dramatik. „Newsletter“
(da habe ich auf die Schnelle auch keine Übersetzung).“Lock down“ der Schweiz:
Runterfahren wäre eine Alternative, aber auch hier Dramatik; wohin werden wir
wohl gelockt? “ Social Distancing“: Warum nicht Abstand halten? Das geht auch
ohne sozial für die sozialen Kontakte. „Home office“ ist wohl schöner als das
gute alte Heimarbeit[5].
„Distance Learning“: für Fernunterricht. „Online Tool“ (für online fehlt mir
das Wort). „Data share“ für Daten teilen. „Home schooling“ für Schule zuhause.
„Social Media“ für elektronischen Austausch (auch nicht eben elegant,
zugegeben, dafür nicht den Anschein erweckend, das Ganze sei sozial wo es doch
allerhöchst gesellschaftlich sein könnte und meist gar nicht ist.). „Gamen“ für
am Bildschirm spielen.
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[5]
Elo würde diesen Begriff, der historischen Wurzeln hat, nicht nehmen, ich schon,
denn auch hier sind die Arbeitsinstrumente im Haus. Gute Ansätze sind auch
Telebüro, Telearbeit.
All das in
25 Minuten. Sprachlich zum Kotzen, und die Verluderung zeigt sich auch darin,
dass auch wir, die der Sache kritisch gegenüber stehen, oft schon nicht mehr
wissen, wie es heissen könnte. Natürlich sollen wir nicht puristisch sein, wie
oft die Franzosen. Aber wo es gute Begriffe gibt, sollten wir diese nehmen und
uns nicht pseudomodern oder pseudojung geben. Zur Sprache sollten wir Sorge
tragen, auch in diesen Zeiten.
Velotürli, erstes dieses Jahr: Hofen
(Velo pumpen beim Velo Peter) – Büfelden – Hurnen – Balterswil – Bichelsee - Dussnang – Oberwangen – Anwil – Gupfen –
Büfelden – Hofen - duchs Dorf heim.
19.7km, Vmax 37,9, Vø 15,8. Zeit 1h14‘. Für den Anfang ok.
Projekt eBike rausgeschoben. Wetter schön und warm, wenig Wind.
Etwas
anderes:
„Steigern
sie ihr Gehirn“ heisst es in einer elektronischen Werbung bei meinem
Natel-Spiel Solitaire. Wenn ich in der Auktionswelt wäre, müsste ich es, das
Hirn, von jemandem – wem? – zurückkaufen. Ohne dass ich es vorher verkauft
hätte. Ansonsten? Steigern auf welche Spannung, auf welche Höhen? Dem
Schwachsinn sind auch weiterhin keine Grenzen gesetzt. Da hilf auch das
Covids19 nicht.
Wieder CV:
Der
Bundesrat hat beschlossen: Die eidgenössische Abstimmung vom 17.5. wird
verschoben, da keine öffentliche Meinungsbildung möglich ist (u.a. SVP-Initiative
zu Europa). Medikamente werden rationiert, um Hamstern zu verhindern und die
Versorgung sicherzustellen. Die Einreisebeschränkungen werden gestrafft. Es
gibt einen halbjährlichen Betreibungsstopp, wodurch die Regierung Zeit erhält,
die Finanzhilfe für die Wirtschaft zu organisieren.
Allgemein
setzt die Krise viel Disziplin (teilweise), Solidarität und Kreativität frei. Es
gibt spontane Initiativen zur gegenseitigen Hilfe, neue Ideen wie Hilfsmittel,
dass wir die Türgriffe nicht anfassen müssen etc. entstehen.
Tag 6. Donnerstag, den 19.3.
Gestern
Abend. England schliesst jetzt doch die Schulen. Aber Beizen bleiben weiter
offen. Boris laviert schrittweise retour. In Italien hatten sie 475 Tote an
einem Tag!
Daniel Koch,
der Chef ansteckende Kranke im Bundesamt für Gesundheit (s.o.), war gestern
eine Stunde in der Rundschau von DRS TV. Sehr gut, ruhig, bestimmt. Es hat
genug Gesichtsmasken für die Spitäler. Es hat genug Medikamente. Viel-Testerei
bringt wenig,[6]
auch wenn in der Schweiz bei Vorhandensein von mehr Testmaterial mehr getestet
wird. Jetzt ist alles aufgebraucht, was nicht unbedingt in Spitälern benötigt
wird. Die Zahl der Tests stieg von 2000 auf vorgestern 7000 pro Tag. Vermutlich
viele unnötige. Und dann immer wieder: Haltet Euch ans Abstandhalten, das
allein bringt es wirklich, um die Spitäler vor dem Kollaps zu retten.
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[6]Mein Verdacht: Viel testen = viel Scheinsicherheit, und dann wird die
Hauptmassnahme Abstandhalten weniger beachtet, was schlimm wäre.
Daniel
Lampart, der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, in der gleichen
Rundschausendung: Viele Bauunternehmer unternehmen nicht das, was sie könnten,
das was sie müssten: weiterhin überfüllte Baubaracken, vollgestopfte Transportminibusse. (Sie werden es sich
selbst zuzuschreiben haben, wenn die Baustellen geschlossen werden.) Der
Bundesrat scheint auf morgen diverse wirtschaftliche Massnahmen zu planen.
Heute: In
den Zeitungen kommen nun auch wieder andere Meldungen durch. Wird aus der Aufregung
Alltag?
Bestätigte
Fälle heute früh 3438, 33 Tote, 0.95%.
Südkorea,
das für seine Viel-Testerei gerühmt wird (in Kritik am Bundesrat), hat pro
10‘000 Einwohner gleichviel bestätigte Todesfälle wie die Schweiz (33, Italien 51)
Das
kantonale Schwingfest in Dussnang vom 3.5. ist um ein Jahr verschoben. Die
Jahresversammlung des Hauseigentümerverbandes, auf der wir servieren sollen,
auf September. Die Polizei Thurgau schränkt den Publikumsverkehr auf 10 Posten
ein. Wohl nach dem Motto: Böse Buben und Mädchen, bleibt bitte daheim. Wir
müssen nach Aadorf, Münchwilen bleibt zu.
Die SBB will
runterfahren. Im Onlinefahrplan heisst es: „Hinweis Coronavirus: Der gesamte
öffentliche Verkehr der Schweiz wird ab Donnerstag 19. März 2020 stark
reduziert. Auf dem gesamten nationalen und internationalen Netz ist mit
Ausfällen, Anschlussbrüchen und Verspätungen zu rechnen. Bitte konsultieren Sie
vor jeder Reise den Online-Fahrplan. Dieser wird jeweils am Vortag bis 20 Uhr
für den Folgetag angepasst.“ Bei uns ist es im Regionalverkehr noch gleich wie
vorher.
Die
Nationalbank erhöht die Liquidität der Banken, damit diese erleichtert Kredite
geben kann. Sie verzichtet z.B. auf Negativzinsen. Auch stützt sie den Franken
weiter mit Milliardenkäufen. (Die Reporterin fragt Nationalbankdirektor Jordan:
„Was glauben Sie, wird die Schweiz diese Krise meistern?“. Saudumme Fragen. Was
bleibt uns anderes übrig? Und wenn nicht, verkaufen wir dann das Land an
Deutschland, oder Frankreich oder Italien. Oder an Trump oder Xi Jingping?)
Der Bund kauft
via Armee 900 Beatmungsgeräte. Diese werden auch in der Schweiz produziert. Im Bündnerland.
Der
Präsident der Beizer und Hoteliers erzählt im Mittagsgespräch am Radio, dass das Hotel
Schweizerhof in Bern am Bahnhof gerade mal 4 Gäste hat. Er erwartet einen
Ausfall für die Gastronomie bis Mai von 3-5 Milliarden Franken. Viele Betriebe
haben immer überlebt, aber bei geringer Marge. Daher haben sie keine Reserven.
Die Einnahmen gingen schon in den letzten Wochen zurück, aber jetzt plötzlich
auf Null. „Soloselbständige“ als neuer Begriff.
Kurzarbeit:
Das System muss vorübergehend angepasst werden: 100% statt 80% des Lohns? (Ich
könnte mir das für Kleinverdiener, bei denen es entscheidend ist, vorstellen,
allenfalls bis Einkommensgrenze.) Geld auch für das Kader und die Besitzer bei
Klein- und Kleinstbetrieben, ebenso für temporäre Angestellte (läuft schon). Es
scheint schon viele Entlassungen gegeben zu haben.
Kurzarbeit
II: Die Ämter sind total überlastet, und die Auszahlungen dürfen nicht, wie
bisher, etwa 6 Wochen oder mehr auf sich
warten lassen. Das ist anforderungsreich für die Verwaltung.
Velotürli: Büfelden – Anwil – Moswangen –
Littenheid – Egelsee – Wilen – Kanti Wil – Gloten - Dreibrunnen –
St.Margarethen – Münchwilen – Sirnach (Fischmann).22,05km, Vmax 39.7, Vø
16.4, 1h21‘.
Auf dem Velo
ging mir durch den Kopf:
Es macht mir
Mühe zu akzeptieren, dass ich zu einer Risikogruppe gehöre. Zwar waren wir uns
das 68 an der Uni gewohnt, und es war gewollt. Aber jetzt altersbedingt, das
ist schon etwas anderes. Ich würde gerne helfen, sei es anderen Leuten, sei es
der Gemeinschaft z.B. durch Büroarbeit zur Entlastung der Verwaltung in
Arbeitsämtern oder so. Aber da sind wir eben nicht gewünscht. Bleibt nur noch
fleissiges Telefonieren mit Leuten, die allein sind in ihren Wänden.
Wir sehen
viele kleine und grössere Kinder mit ihren Eltern unterwegs. In der Rückschau
werden sie vielleicht einmal sagen, das sei eigentlich eine schöne Zeit
gewesen. Nie hätten die Eltern vorher und nachher so viel Zeit für sie gehabt,
sich so viel Zeit für sie genommen.
Bäume und
Sträucher blühen früh dieses Jahr. Viele Zierbäume in den Gärten, Dornen an den
Hecken, aber auch schon Spaliere an den Hauswänden
Abendnachrichten. Uri prescht vor: die Alten dürfen nicht mehr
einkaufen (sie hätten sich nicht an die Abstandsregeln etc. gehalten).
Spazieren dürfen sie noch. Das kann ja heiter werden. Daniela Lattmann, die
Schwiegertochter von Vreni und Ruedi, ruft an und versichert uns ihrer
Mithilfe, wenn es nötig wird. Das tut gut.
Die
Einkaufszentren regeln die Zahl der Einkaufenden nach Fläche. Genf und Waadt schliessen
die Baustellen, was auch die Gewerkschaft Unia fordert, aber vom
Baumeisterverband abgelehnt wird, der seine Mitglieder zu disziplinieren
versucht.
Die Soldaten
in der Rekrutenschule können nicht mehr nach Hause, der Urlaub ist gestrichen.
Die Mobilmachung der Santiätssoldaten läuft nicht mehr wir früher per Plakat
sondern per SMS. Tempores mutantur sagten die alten Römer, aber ob nos mutamus in illis klappt, ob wir
uns erfolgreich anpassen können, muss sich erst noch zeigen.
Tag 7. Freitag, der 20.3.
Gestern
Abend waren wir schliesslich völlig genervt. Wir wollten einen Krimi sehen,
aber der war wegen einer der vielen CV-Sondersendungen rausgeschoben. Da sind
wir halt in die des Schweizer TV eingestiegen. Das hätten wir besser gelassen.
Was uns am meisten interessiert zurzeit, ist wie wir noch aus dem Haus können.
Wir, und vor allem Elo mit ihrem Bewegungsdrang, brauchen das. Aber alles ist
unklar: Uri verbietet einkaufen, erlaubt spazieren. Die Stadt Freiburg das
Gegenteil. Jeder ist Experte, jeder hat eine andere Meinung oder Behauptung zur
Hand. Im TV war es dann so:Der eine ist dafür, der anderen mit Einschränkungen,
der Chef von Pro Senectute spricht von möglichen Beinbrüchen, die die Spitäler
lahmlegen könnten (!, wie wenn das zuhause nicht auch passiert) und der
Moderator stochert in allen Richtungen – Chaos pur! Daniel Koch vom BAG möchte
Spazieren offensichtlich nicht verbieten. Wenn der politische Druck aber zu
stark wird und ein solcher Schritt angeordnet wird, sollen sie das bitte klar
sagen. Dann müssen und können wir uns darauf einstellen. Auf dem Lattenzaun
zwischen es geht und es geht nicht zu sitzen, ist unbequem.
Die
Zeitungen warnen, dass der Zustelldienst am Morgen vielleicht nicht
aufrechterhalten werden kann. Dann müssen wir Postfachmenschen zuerst zur Post,
bevor wir frühstücken können. Die WOZ und das Tagblatt können jetzt gratis
elektrisch gelesen werden. NZZ? Die können wir als Abonnenten aber sowieso gratis lesen.
Ich habe,
auch wenn ich weiss, dass die in Bern in Mails ersaufen, eines an die
Epidemiologieabteilung des BAG geschickt mit der Bitte um Klarstellung: Was
geht, was nicht, was auf dem Land, was in der Stadt? Mit Kopie an Köby Stark
unseren Sanitätsdirektor und an Heidi Hanselmann, die Präsidentin der
Sanitätsdirektorenkonferenz. Nützt’s nüt, so schad’s nüt. Oder wie Marx am
Schluss seiner Schrift zum Gothaer Programm sagte: Dixi et salvavi anima mea,
ich habe es gesagt und meine Seele gerettet oder frei übersetzt: Dampf
abgelassen.
Die
Antworten regional kamen schnell, überzeugend (das BAG bat um Verständnis, dass
Mails nicht mehr einzeln beantwortet werden konnten): Aus dem Büro Hanselmann
nach 1 Stunde ein Anruf mit Beratung („wir erhalten auch nicht immer klare
Infos; gehen sie nur raus, solange sie können“) von Köby Stark nach 2h ein
ausführliches Mail mit analogem Inhalt, ausführlich und mit guten Wünschen.
Eben waren
wir noch auf einer kleinen Einkaufstour: Im Denner haben wir ein Pack WC-Papier
(8 Rollen) gekauft (vor dem Laden hat Geschäftsführer Ernst ein Schild
aufgestellt: „Wir haben jetzt wieder WC-Papier“ – was in so Zeiten alles nötig
ist!), dann beim Metzger etwas zum Grillen in Cheminée am Samstag. Karli sagt,
er werde notfalls gerne nach Hause liefern. Was das WC-Papier betrifft, kann ich jetzt die Zeitungen zusammenbinden,
aber diesen Notvorrat behalten wir noch.
Nun wollen
wir dann sehen, was der Bundesrat heute beschliesst. Er wird am Nachmittag
informieren. Die EU will nun, dass an den Grenzen – auch zur Schweiz – von den
Ländern kein medizinisches Material mehr blockiert wird, dafür aber auch nichts
aus der EU raus exportiert wird (die seit längerem an der Grenze blockierten
Lastwagen mit z.B. Gesichtsmasken werden nun wohl freigegeben werden von
Frankreich und Deutschland). Mal sehen, wie sich die Länder an die Vorgabe aus
Brüssel halten. Die Werbung der Printmedien bricht weg. Tagesanzeiger macht
Kurzarbeit.
Der
Gewerbeverbands-Präsident Bigler bringt am Radio in Analogie von Too Big To
Fail bei Banken und Fluglinien für das Gewerbe, die KMUs den Begriff Too Many
To Fail. Stimmt wohl, auch wenn ich ihn sonst schon gar nicht mag.
Bestätigte
Fälle 12h: 4176 (+737), Tote 43 (+10) oder 1.02% (+0.07). In Italien ist die
Todesrate auf viele Hundert pro Tag angestiegen. Die Krematorien kommen nicht
nach. Und die Infektionsrate steigt weiter.
Am Mittag
schlissen wir uns am Fenster dem landesweiten Klatschapplaus an, als Dank für
alle jetzt alles geben in Spitälern und so. Wir klatschen gemeinsam mit den
Nachbarn, auf deren Terrasse wir sehen, wo sie am Mittagessen sind. Alle drei
Töchter zuhause.
In einem
schnell und doch recht gut produzierten Buch zum aktuellen Geschehen rät der
österreichische Autor Thomas Brezina im Rahmen von vielen guten Ratschlägen
(nicht alle gleich gut, aber es musste ja schnell gehen, wenn es wirken soll in
dieser Zeit) auch zu „Nachrichten-Diät“. Das ist sicher nicht das Dümmste,
zumal zurzeit oft mehr Verwirrung als Information rüber kommt.
Das Buch kann unter www.edition-a.at gratis runtergeladen werden. Elo als ausgemachte Pessimistin – positiv gesprochen: Realistin – nützen diese Ratschläge wenig. Mir schon. (Als meine Mutter einmal den Vater ausschimpfte, er sei ein unverbesserlicher Optimist, und dieser antwortete, sie sei eine unverbesserliche Pessimistin, bemerkte ich als ganz kleines Kind: „Gäll Vatter, ich bi de gliich Mischt wie du“, und das stimmt. Mutter hat Vater fast 40 Jahre überlebt, es scheint, dass sie die bessere Strategie hatte. Bei uns zwei ist es noch nicht ausgemacht, zum Glück. Denn Leid tun uns alle, die jetzt alleine zuhause sein müssen. Mit wem streiten sie?)
Das Buch kann unter www.edition-a.at gratis runtergeladen werden. Elo als ausgemachte Pessimistin – positiv gesprochen: Realistin – nützen diese Ratschläge wenig. Mir schon. (Als meine Mutter einmal den Vater ausschimpfte, er sei ein unverbesserlicher Optimist, und dieser antwortete, sie sei eine unverbesserliche Pessimistin, bemerkte ich als ganz kleines Kind: „Gäll Vatter, ich bi de gliich Mischt wie du“, und das stimmt. Mutter hat Vater fast 40 Jahre überlebt, es scheint, dass sie die bessere Strategie hatte. Bei uns zwei ist es noch nicht ausgemacht, zum Glück. Denn Leid tun uns alle, die jetzt alleine zuhause sein müssen. Mit wem streiten sie?)
Infos am
Mittag: YouTube wird wie Netflix die Auflösung der runtergeladenen Dateien
beschränken, um die Netze zu entlasten.
Velotürli: Via Bichelsee wie oben, Distanz
19.2km, Vmax 35.9, Vø 16.8, Zeit 1h 8‘. Leicht bewölkt, warm.
Nun hat der Bundesrat
informiert:
- Nicht mehr als 5 Personen im öffentlichen Raum,
Bussenandrohung von 100 Franken. Pro Person.
-
Druck auf das Baugewerbe, sich an die
Vorschriften zu halten; auch hier die 5-Personen-Regel
- Kantone erhalten Zivilschutzkontingent
- Für die Wirtschaft zusätzlich 32 Mia, also
insgesamt 40 Mia
- Kurzarbeit und Liquiditätshilfe unterstützt,
Mechanismen vereinfachen, Zugang zu Bankkrediten vereinfachen (bis 500‘000 steht der Bund
grad, da soll es 30 Minuten gehen auf der Bank, darüber etwas länger, dort bis
10% Umsatz, max. 20 Mio), keine Betreibungen bis 20. April, Unterstützung für
Kultur (280 Mio, z.B. für Künstler, die kein Taggeld bekommen), Sport (100
Mio), Tourismus, Selbständige ohne Versicherung (max. 196 Franken pro Tag),
Eltern, die zuhause bleiben müssen
- in Zukunft 2x pro Woche informieren
- Keine Ausgangssperre, aber dringender Appell,
zuhause zu bleiben: «Wir sind fast bei einer Ausgangssperre, aber wir machen
keine Spektakelpolitik». Die über 65-Jährigen müssten nun wirklich zu Hause
bleiben. Auch die Jungen müssten das ernst nehmen. (Zürich sperrt Seeufer.)
- Post darf online bestellte Lebensmittel und
Artikel des täglichen Bedarfs auch sonntags zustellen
Wir sind
also nicht eingeschlossen, wir dürfen spazieren und einkaufen.
Ein Beitrag
im Echo der Zeit: Haben wir, hat der Bund vor der Pandemie genug gemacht
gehabt? Zurzeit ist das eine müssige Frage, die ausser zur Verunsicherung
beizutragen nicht weiter hilft. Gestern sagte einer richtig: Das müssen wir
dann nachher beurteilen, dann aber richtig.
Der Kanton
Graubünden verpflichtet alle Personen mit Gesundheitsausbildung zur Meldung,
dass sie eventuell eingesetzt werden können.
Auch in den
USA wird gehamstert. Aber nicht nur WC-Papier sondern auch Waffen. Elo meint,
sie wollen wohl das Virus erschiessen. Da lob ich mir das gute alte Europa.
Lieber einen sauberen Hintern als ein Loch im Bauch.
Soweit die
1. Woche.
Ganz schön
viel los, ganz schön fordernd. Grade
für uns alte Chläuse und Chläusinnen – to be politically correct, more or less.